Cyberrevolutionäres Chile

von nikken, erstellt am und zuletzt aktualisiert am .
CC0 Public Domain keine rechte vorbehalten.

Vor vier Jahren habe ich eine Menge Bücher gekauft, von denen die meisten immernoch ungelesen in meinem Regal stehen oder auch wieder verkauft wurden. Eines davon war Eden Medinas Cybernetic Revolutionaries, das den Versuch der Allende-Regierung in Chile Anfang der 1970er Jahre beschreibt, mithilfe von Kybernetik und Computern eine sozialistische Volkswirtschaft zu verwirklichen.

Letzten Herbst habe ich mir das Buch endlich mal vorgenommen. Ein paar Tage später wurden in Santiago de Chile die Fahrpreise der Metro de Santiago um 30 Peso erhöht und die wohl größten Massenproteste der Landesgeschichte brachen aus. Über eine Millionen Menschen protestierten gegen die soziale Ungerechtigkeit, die die Chilenen als das Versuchslabor des Neoliberalismus seit der Pinochet-Diktatur erleiden müssen.

Gruselig, wie sich solche Gleichzeitigkeiten manchmal zufällig ergeben.

Vor ein paar Tagen haben Jakob Schmidt und Jannis Funk für das Deutschlandfunk-Format Das Feature eine Doppelfolge über genau jenes Projekt Cybersyn veröffentlicht, über das Eden Medina 2011 schrieb.

Medinas Buch ist eine umfassende wissenschaftliche Abhandlung über die Entstehungsgeschichte und technischen Details des Projekts, die das Radioprogramm so natürlich nicht leisten kann. Dafür ist das Feature gespickt mit Zeitzeugeninterviews und Tondokumenten aus der Zeit der Allende-Regierung.

Es ist unüberhörbar, wie aufrichtig begeistert und entschlossen die Beteiligten an Cybersyn einerseits, vorallem aber an Allendes Projekt des demokratischen, gewaltfreien Sozialismus gearbeitet haben.

Umso grausamer, wie die Konterrevolution, gesponsert unter anderem vom CIA, dessen Untergang bereitet hat. Salvador Allendes letzte Rede aus dem Präsidialpalast zerreißt mir jedes Mal aufs Neue das Herz.

🎵 Floh de Cologne - Mumien und Vietnam (1974)